Aus der Schule geplaudert
Feedbacks von zwei Kindern
Sandro sagt: «Im Stuhlkreis gefällt es mir gut. Es ist so ruhig. Es ist überall ruhig in der Schule 3×3. Doch im Stuhlkreis ist eine besondere Ruhe. Ich kann zuhören und mitreden. Das Besondere ist, dass es hier ein besonderes Lernen gibt. Wir machen Lernspiele und lernen andere Sachen. Das gibt eine gute Sache: Spielen, lernen und lustig sein.»
«Dieser Tag hat mir gefallen», notiert Louis in seinem Logbuch. «Besonders gut fand ich, wie wir nähten, klebten und die Weihnachtskarten beschrieben haben. Ich weiss gar nicht, wie ich es sagen soll. Ich habe viel gearbeitet, aber es war nicht wie Schule. Es war auch nicht wie Studium. Es war eher wie eine Fabrik, in der alle miteinander Weihnachtsgeschenke herstellen. Ich habe ein paarmal herumgeschaut, und ich sah nie ein Kind, das nicht an der Arbeit war. Alle arbeiteten sehr viel. Es war ein schönes Gefühl.»
Feedback von zwei Studentinnen
Während einer Woche verbrachten zwei junge Frauen ihr Sozialpraktikum an der Schule 3×3. Sie sind Schülerinnen eines Gymnasiums in der Stadt Zürich. Sie wurden in allen Bereichen des Unterrichts eingesetzt. Zum Abschluss der Woche durften sie gemeinsam die Arbeit für die Geometrie vorbereiten und mit den Kindern durchführen. Was sie aber am meisten beeindruckte, drückten die Zwillingsschwestern etwa so aus:
Wie diese Kinder einander unterstützen und helfen. Sie sind eine Gruppe. So etwas haben wir noch nie erlebt. Wir kennen nur das, dass jedes Kind für sich schaut und arbeitet. Wir staunen, wie die Kinder sofort gehorchen, ihre Arbeit liegen lassen und zuhören. Das ist bei uns ganz anders. Die Kinder haben es nicht immer einfach. Sie werden sehr gefordert und sie müssen viel wissen zum Zusammenleben.
Es ist so interessant in dieser Schule zu sein. Die Zeit fliegt richtig. Es ist so schade, dass die Woche um ist. Wir sind richtig traurig.
Feedback einer Besucherin
Am Freitag war eine Besucherin anwesend während zwei Stunden. Als Feedback meinte sie: „Es ist einfach beeindruckend, wie das läuft. Ich staune nur noch. Und wie die Grossen die Kleineren unterstützen. Und diese Kinder, die arbeiten wirklich.“
Ausschnitt aus einem Feedback, das ich ins Logbuch eines Kindes geschrieben habe.
Lieber Viktor, du bist ein Schnellhase beim Arbeiten. Heute solltest du die Seite 28 im Mathebuch rechnen. Du bekamst den Auftrag zu zeigen, wenn der Titel geschrieben sei. Das dauerte sehr lange. Als du zeigen musstest, war erst ein kleiner Teil des Titels geschrieben, dafür in vielen Farben.
Viktor, was ist los? Du bist sonst immer so schnell. Was bremst dich? Aus irgendeinem Grund arbeitest du so lange am Titel. Hast du Angst vor etwas? Viktor. Es sind so hohe Zahlen auf dieser Seite.
Aha! Du denkst, wenn du langsam machst, dann kannst du die Angst länger wegschieben. Das ist super, dass du das gemerkt hast. Beim nächsten Mal wenn du das merkst, dann melde dich sogleich. Es ist schade um die Zeit die du vergeudest. Viktor macht sich mutig an die Arbeit.
Heute will ich viel arbeiten
Mit diesen Worten begrüsst mich Damian. Er besucht erst seit kurzem die Schule 3×3. Er kam mit dem Etikett „Leistungsverweigerer“ in die Schule 3×3. Das sei ein guter Vorsatz, entgegne ich. Doch richtig bewerten könne man diese Aussage erst, wenn der Tag vorüber sei.
Damian muss in seinem Logbuch ein Säulendiagramm zeichnen, mit einem Raster von 0 bis 10. Dann muss er sich entscheiden, bei welcher Zahl er sich mit seinem viel Arbeiten sieht. Er entscheidet sich für eine 8. Dementsprechend markiert er die Säule. Vor Schulschluss kommt Damian zu meinem Pult und zählt auf, was er alles gearbeitet hat. Er findet, dass er anhand dieser Aufzählung merke, dass er sich eine 7 geben könne. Er hätte gedacht, er könne noch mehr arbeiten. Auch wenn Damian die 8 nicht erreicht hat, ist er zufrieden mit sich.
Facetten
Im Laufe eines Tages kann ich viele Gelegenheiten finden für Unterhaltungen mit den einzelnen Kindern. Auf dem Weg zum Mittagessen ins nahe gelegene Personalrestaurant des Spitals bleibt Leon oft stehen, wenn ein Auto vorbeifährt und er ruft mir in hellem Entzücken zu, dass ich jetzt hören solle, wie schön dieser Motor töne. Er erklärt mir dann die Vorteile der Viertakt-, Sechstakt- und Achttaktmotoren und wie es dazu kommen kann, dass sich die Geräusche stark unterscheiden. Ich kann diese Finessen nicht unterscheiden, ich freue mich einfach über Leon, wie sein ganzer Körper strahlt, wenn er über Autos spricht.
Silvio trainiert in der Freizeit Kung Fu. Jeweils am Morgen nach einer Trainingsstunde zeigt er mir vor, was er neu gelernt hat. Besonders gerne demonstriert er die Bewegungen die er mit dem Schwert/ Säbel ausführt. Zuerst erklärt er wie der Ablauf sich aus unterschiedlichen Einheiten zusammensetzt, und er weiss auch wie wichtig der Atem ist. Dann zeigt er mir die Abfolge vor. Es ist eine grosse Freude, ihn in seinem konzentrierten Tun zu beobachten.
Einmal berichtete ich den Kindern, dass Herr Baumgartner nach Singapur fliegen werde. Da meldete sich Martin:“ Dann fliegt er um 11.45 von Zürich weg mit dem Airbus A 380-800, er hat die Flugnummer SQ 345, es ist ein Nonstop Flug bis Singapur, der 12 Stunden und 10 Minuten dauern wird.“ Dass sich Martin mit der Thematik „Flugzeuge“ intensiv befasst, das wussten alle, doch dass er sich so genau auskennt, das wurde uns erst jetzt richtig bewusst.
Sophia ist mit dabei
Sophia hat eine Autismus Spektrum Störung. Sie ist Fan der Buben. Sie strahlt, wenn einer von ihnen mit ihr arbeitet. Da sitzt Damian mit Sophia am grünen Tisch inmitten des schoolrooms und will mit ihr ein Puzzle machen. Doch Sophia packt den Buben an der Hand und zieht ihn zum Kasten wo die Farbstifte sowie die Papiere aufbewahrt sind. Sie gibt so kund, dass sie möchte, dass Damian mit ihr zeichnen solle. Genau an diesem Tag meinte Damian, er wolle heute etwas anderes machen mit Sophia. Doch nun kann er nicht widerstehen und er zeichnet Gegenstände, wobei Sophia stets die Farbe auswählen darf. Damian zählt die jeweiligen Dinge und schreibt die Ziffer hin.
Während der Pause schaut Sophia liebend gerne den Buben zu, wenn sie Hütten bauen im workroom. Eines Tages kriecht auch sie in eine der Hütten. Vier Buben spielen an einem der Tische Monopoly. Ab und zu schaue ich ihnen zu. Ich staune. Wer sitzt da plötzlich auf dem Stuhl an der Kopfseite des Tisches? Es ist Sophia. Alle freuen sich, dass sich Sophia für ihre Spiele interessiert.