Forscherkreis einmal anders

29. September 2012

Ein Unterrichtsgefäss ist in der Schule 3×3 total beliebt. Es ist der Forscherkreis. Die Kinder schreiben während der Pause oder während der Interessenzeit die Forscherkreiszettel. Meistens bezieht sich der Forschungsgegenstand auf Bewegung und Spiel.
Ab und zu schreibe auch ich Forscherkreisblätter. Dann nämlich, wenn ich es als nötig erachte, dass die Kinder Verhaltensweisen erforschen, die ihre Bewegung beim Lernen bremst. Das aktuellste Forscherkreisblatt stand unter dem Thema „Logbuch“. Für ihre Arbeit mit dem Logbuch verfügen die Kinder über mehr Freiräume als in andern Heften. Doch zu bestimmten Terminen müssen einige Dinge klappen. Was aber nicht der Fall ist. Es fällt vielen Kindern schwer, mit Freiräumen umzugehen.
Das Setting für den anderen Forscherkreis sieht so aus:
Ein Tisch, ein Stuhl, eine Liste mit den Anforderungen, die Logbücher. Ein Kind nach dem anderen setzt sich an den Tisch, kontrolliert anhand der Anforderungsliste, was bereits korrekt erfüllt ist oder erfüllt das Fehlende. Es ist eine beeindruckende Erfahrung für die Kinder. Ich weiss, für eine bestimmte Zeit kann ich zu den Kindern sagen:“ Also, das sieht nach einem besonderen Forscherkreis aus.“ Und es wird bestens klappen.

Die Fäden in der Hand halten

22. September 2012

Die Kinder der Schule 3×3 werden in einer altersgemischten Lerngruppe unterrichtet. Die Lerngruppe setzt sich aktuell so zusammen: eine Erstklässlerin, eine Zweitklässlerin, ein Drittklässler, ein Viertklässler, drei Fünftklässler und zwei Sechstklässler. Zwischen 9 Uhr und 10.30 Uhr arbeiten die Kinder am Montag und am Mittwoch im Kernfach Mathematik und am Dienstag und Donnerstag im Kernfach Deutsch. Ab der dritten Klasse orientieren sich die Kinder in den Kernfächern anhand des Logbuches über den jeweils zu erledigenden Lehrstoff. Die jeweiligen Checklisten enthalten Angaben zum Material mit dem gearbeitet werden muss, enthalten den Auftrag und in einer Spalte ist der Zeitrahmen für den jeweiligen Auftrag enthalten. Während eines Zeitraums von 10 Minuten können allfällige Unsicherheiten mit mir besprochen werden, ich beobachte die Kinder und unterstütze wenn Bedarf besteht. Dann klopft Melanie mit einer Blechdose in Baumform auf einen Tisch und ruft dazu mit lauter Stimme: Baumzeit! Dieser Ausruf signalisiert den Arbeitenden, dass sie nun unter keinen Umständen um Unterstützung bitten können. Jeder hat in seinem Logbuch eine Beschäftigungsliste anlegen müssen. Melanie, sie lebt mit einem Down-Syndrom, setzt sich nun an den Arbeitsplatz, den sie an meinem Pult hat. Sie trainiert weiter an der Erweiterung des Zahlraums bis 20. Sie bekommt den Auftrag, 12 Hölzchen abzuzählen. Sie hat zwei Brettchen vor sich, mit je 10 Einbuchtungen. Sie legt in das erste Brettchen in jede Vertiefung je ein Hölzchen und zählt laut. Wenn das Einerbrettchen voll ist, dann bündelt sie die zehn Hölzchen und hält sie mit einem Gummibändchen zusammen. Dazu spricht sie. „Das ist ein Zehnerbündchen, das darf auf das Zehnerbrettchen. Und das Einerbrettchen ist wieder leer.“ Melanie zählt nun weiter bei 11, 12. Anschliessend erkläre ich ihr ein Arbeitsblatt und sie darf an ihrem Pult daran arbeiten. Wenn sie fertig ist damit, dann darf sie zeichnen. Anschliessend bekommt Suzanne ihr erstes von zwei Einzeltrainings an meinem Pult. In der Mitte des Raumes steht ein grüner Tisch. Wenn ein Kind ein Arbeitsblatt vorlesen muss während der Baumzeit, dann stellt es sich an diesen Tisch, ruft seinen Lernpartner und der hört ihm zu, wobei dieser anhand der bereitliegenden Lösungsblätter kontrolliert. Es kann auch vorkommen, dass zwei Partner die ganze Unterrichtseinheit gemeinsam am grünen Tisch arbeiten.
Auch wenn ich intensiv mit den beiden Mädchen arbeite, halte ich die Stillarbeitenden, die Vorlesenden und die Zusammenarbeitenden im Auge und die wissen das. Es ist ruhig. Das Unterrichten macht in diesem Schulzimmer grosse Freude.
Wenn die Baumzeit vorbei ist, erscheinen die meisten an meinem Pult, um Dinge zu klären. Die Unterrichtseinheit wird mit einer Mikropause unterbrochen und zusätzlich mit einem Break der mit Bewegung verbunden ist. Anschliessend verläuft der zweite Teil wie der erste.
Ich werde in einem der nächsten Beiträge ausführen, wie ich die erledigten Schülerarbeiten kontrolliere.

Lesenlernen mit der Silbenanalytischen Methode

15. September 2012

Melanie soll Wortkarten und Bildkarten einander zuordnen. Sie legt die Bildkarten in eine Reihe. Dann nimmt sie den Stapel mit den 12 Wortkarten und verteilt sie auf dem Tisch. Sie schaut sie an. Plötzlich packt sie eine der Karten und verkündet „ROSE“. Sie strahlt über das ganze Gesicht. Das wirkt ansteckend und jetzt freut sich Melanie auch über meine Freude.
Melanie kann alle Wortkarten korrekt den Bildkarten zuordnen. Die meisten Wörter kann sie nicht auf den ersten Blick lesen. Also liest sie zuerst die Silbe in der Garage. Dort wohnt die unbetonte Silbe. Dann liest sie die betonte Silbe, die im Haus wohnt. Dann erst liest sie das ganze Wort. Über jedes der Wörter auf der Karte zeichnete ich ein Silbenhaus. So erkennt sie, dass bei „SCHERE“ das „E“ ganz allein in Zimmer 2 wohnt und sich darum ausbreiten kann. Es wird lang gesprochen. Sie erkennt, dass bei „ENTE“ das „E“ zusammen mit dem „N“ in Zimmer 2 wohnt und sich darum nicht ausbreiten kann. Das „N“ drückt das „E“ zusammen und wird daher kurz gesprochen.
Melanie liest dank dieses Vorgehens alle Wörter mit korrekter Betonung. Es tönt schön, wenn Melanie liest.
Ich mache gute Erfahrungen mit der Silbenanalytischen Methode. Sie stellt den Aufbau der Silbe, sowie ihre Kombination und Funktion im Wort in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Ich entdeckte die Methode bei Frau Prof. Dr. Christa Röber von der Universität Freiburg. Sie entwickelte ein Bild, das den Kindern die systematische Analyse der Verhältnisse zwischen Laut und Buchstabe bei verschiedenen Silbentypen ermöglichen soll. Das Häuserbild ist ein anschauliches Muster der Silbenstruktur. Das Bild zeigt ein Haus in das die betonte Silbe eingetragen wird und eine Garage in das die unbetonte Silbe eingetragen wird. Um die Zweiteilung der Silbe darzustellen, besteht das Haus aus einem kleineren Zimmer für den Anfangsrand und aus einem grösseren für den Reim.

Besonders gefällt mir an dieser Silbenanalytische Methode, dass sie den Schrifterwerb als eine zentrale Möglichkeit der kognitiven Entwicklung der Kinder nutzt.

Fälle und Fallen

2. September 2012

Die vier Fälle heissen…..Das Kind schreibt. „Wenvall, Wervall, Wemvall, Wesvall“
Ich klebe dem Kind neben diese Aufzählung eine Abbildung die auf dem Schwabentor in Schaffhausen zu sehen ist. Ein Bauer, mit einem Säuli unter dem Arm, durchschreitet das Tor und marschiert schnurstracks in ein Auto hinein. Über dem Bild steht die Inschrift: „Lappi mach d’ Auge uf.“
Weshalb dieser Aufwand?
Für die Beziehung zu Kindern ist es wichtig, dass man sorgsam umgeht mit der eigenen Reaktion auf Fehlverhalten. Alles was ein Kind tut, basiert auf einem bestimmten Muster. Diese Muster lernen Kinder bereits in frühen Jahren. Ein Muster kann sein, dass ein Kind realisiert, dass es die Eltern nur nerven muss, dann flippen die aus, und es selber ist fein raus, obwohl es sich nicht gut fühlt dabei. Solche Muster versuchen Kinder in jedem Kontext zu installieren. Ich bin überzeugt, dass jede Lehrperson weiss, wovon ich rede.
Ich treibe oft Aufwand in meiner Reaktion auf bestimmte Verhaltensweisen, damit das Kind anfängt hinzuschauen, ohne ungutes Gefühl, sondern ganz einfach weil das nötig ist beim Arbeiten.